Michaël Borremans EATING THE BEARD Ausstellung

Michaël Borremans, Red Hand, Green Hand (2010), Öl auf Leinwand / Oil on canvas, 40 x 60 cm Courtesy: Sammlung Michaël Borremans

Vom 20. Februar bis zum 1. Mai 2011 zeigt der Württembergische Kunstverein Stuttgart mit über 100 Werken eine umfassende Einzelausstellung des belgischen Künstlers Michaël Borremans. Neben Malereien, Zeichnungen und Filmarbeiten der letzten zehn Jahre wird auch eine Reihe neuer Werke präsentiert, die erstmals in Deutschland zu sehen sind. Die Szenarien, die Borremans in seinen oftmals kleinformatigen, intimen Bildern entwirft, greifen auf Positionen und Genres der Kunstgeschichte ebenso zurück wie auf die Bildsprachen der Fotografie, Bühne oder des Kinos. Sie sind voller gegenläufiger Verweise und Andeutungen, die dem Betrachter eine Vielzahl möglicher Lesarten anbieten, sich jedoch nicht zu einem schlüssigen Ganzen fügen lassen. Realismus und Fantastik, Flüchtiges und Manifestes, Ironie und Verstörung sind in seinen Bildwelten eng miteinander verwoben und schließen sich zugleich aus.

Michaël Borremans, Eating the Beard (2010) Öl auf Leinwand / Oil on canvas, 50,0 x 42,0 cm Courtesy: Zeno X Gallery Antwerp

Borremans geht in seinen Werken den Widersprüchen und Konflikten der menschlichen Existenz nach: zwischen Selbstbehauptung und Auflösung, Individuum und Gemeinschaft, Sehnsucht und Angst, Kontrolle und Verlust, Moral und dem Abgründigen. Es sind die Illusionen von Identität, Freiheit und der Beherrschbarkeit der Welt, die er uns in ihrer ganzen Instabilität vorführt.

Michaël Borremans, The Nude (2010) Öl auf Leinwand / Oil on canvas, 240 x 200 cm Courtesy: Sammlung / Collection Charlotte and Bill Ford

Die paradoxen Bildräume seiner Zeichnungen sind durchdrungen von gegenläufigen Perspektiven und Größenverhältnissen, von Formungen und Deformierungen, Wirklichkeit und Inszenierung. Sie zeigen Modellwelten, die als Bild im Bild erscheinen und dabei von riesigen BetrachterInnen beobachtet werden, oder Personen, die etwas modellieren, konstruieren oder in merkwürdige Experimente vertieft sind. Museale, Bühnen- oder öffentliche Räume werden als Schauplätze verhandelt, in denen die Positionen von Betrachtenden und Betrachtetem ständig umschlagen, in denen die Exponate, Aufführungen oder Monumente viel zu groß sind, um von den winzigen Schaulustigen noch in Augenschein genommen werden zu können. Immer wieder laufen die Dinge aneinander vorbei. Andere Zeichnungen muten wiederum wie Storyboards von Filmen, Entwürfe von Bühnenbildern oder von Projekten für den öffentlichen Raum an, die auf Denkbares und weniger auf zu Realisierendes verweisen.

Michaël Borremans, Man Looking Down at his Hand (2007) Öl auf Leinwand / Oil on canvas, 36,0 x 30,0 cm Courtesy: Debra

Im Gegensatz zu den oftmals geschäftigen Szenarien seiner Zeichnungen muten Borremans Malereien allesamt wie Stillleben an, wobei sie in den meisten Fällen menschliche Gestalten in unterschiedlichsten Ansichten zeigen: vereinzelte Wesen, die weder eine Beziehung zu ihrem bildnerischen Umfeld noch zum Betrachter herstellen; Körperfragmente oder die Hüllen davon; seltsame Hybride zwischen Mensch und Möbel oder anderen Objekten. Die Figuren scheinen jeglichem zeitlichen oder räumlichen Kontext entrückt. Zugleich vollziehen sie mal banale, mal bedeutungsreiche und mal absurde Gesten oder Handlungen, deren Hintergründe und Folgen völlig unklar bleiben. Andere dagegen verweisen auf aufgebahrte Leichen, erscheinen als Objekte in Vitrinen, ihre isolierten Gesichter erinnern an Totenmasken. Immer wieder ist es der im Bild ruhig gestellte Körper, den Borremans fokussiert und damit auf die Grundlage des westlichen Körperbildes seit der Renaissance verweist: die Anatomie. In The Nude (2010), eine seiner neuen großformatigen Malereien, wird dieser Bezug explizit.

Michaël Borremans, The Tape (2010) Öl auf Leinwand / Oil on canvas, 200 x 160 cm Courtesy: Privatsammlung / Private Collection

Borremans Zeichnungen, Malereien und Filmarbeiten sind stark miteinander verschränkt, ohne dass es sich dabei um bloß formale „Übersetzungen“ zwischen den Medien, oder um Genesen zwischen „Entwurf“, „Vorstudien“ und „fertigem Werk“ handeln würde. Er lotet die verschiedenen Medien vielmehr an ihren Grenzen aus. So wirken auch seine Filmarbeiten wie Stillleben, in denen oftmals kaum etwas zu geschehen scheint – sofern wir ihnen mit den klassischen Erwartungen an Filmbilder und filmische Narration begegnen. Die meist minimalen Handlungen erscheinen mechanisch, geradezu als Verweis auf die filmische Apparatur selbst, deren illusionären Effekte zugleich rückgängig gemacht werden.

Michaël Borremans, Pony (2009) Öl auf Leinwand / Oil on canvas, 50,0 x 40,0 cm Courtesy: Privatsammlung, Deutschland

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