Spektakulär präsentiert sich die Veranstaltungsreihe „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ auf ihrer sechsten und letzten Station, der EXPO 2010 in Shanghai. Das „Deutsch-Chinesische Haus” ist nicht nur das architektonische Highlight des Auftritts, sondern auch ein zukunftsweisendes Beispiel für den Bau mit Naturmaterial. Es ist die einzige selbsttragende, zweigeschossige Konstruktion aus Bambus auf der Weltausstellung. Das Gebäude ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit nachhaltiger Urbanisierung, dem Schwerpunktthema der von 2007 bis 2010 dauernden Veranstaltungsreihe.
Tradition und Hightech
Das Konzept des „Deutsch-Chinesischen Hauses“ stammt vom Designer und Installationskünstler Markus Heinsdorff. Bereits für die vorherigen Stationen von „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ hatte er rund 20 filigrane Pavillons aus Bambus konstruiert und den in China traditionsreichen Baustoff so zu einem Markenzeichen der Veranstaltungsreihe gemacht. Heinsdorffs Bauten sind moderne multifunktionale Räume und Kunstobjekte in einem. Sie schaffen eine Symbiose von Natur und High-Tech-Materialien. Bambus ist ein besonders umweltfreundlicher und ressourcenschonender Baustoff. Das Gras wächst bis zu 30 cm täglich – schneller als jede andere Pflanze. Wer mit Bambus arbeitet, muss dafür keinen einzigen Baum fällen. Kaum ein anderes natürliches Material ist so elastisch und zugleich hart und fest. Und nicht zuletzt besitzt Bambus einen einzigartigen Charme.
Für die planerische Umsetzung und das umfangreiche Genehmigungsverfahren war das deutsch-chinesische Architekturbüro MUDI aus Shanghai verantwortlich. Die Messebaufirma Shanghai Oriental Expo Services realisierte den Bau.
Mobil und recycelbar
Das Haus von „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ ist ein Bambus-Membranbau mit einer begehbaren Fläche von 330 Quadratmetern über zwei Etagen. Für die Trägerkonstruktion des Dachs wurden acht Meter lange Rohre aus Julong-Bambus – einer speziellen Riesenbambus-Art aus Südchina – verwendet. Der Bambus wurde vor dem Bau mit einem besonderen Feuerschutz behandelt und hat erstmals das Prüfsiegel für Brandschutz erhalten. Im Inneren des Hauses wurde mit verleimten Bambus-Lamellen gearbeitet. Für beide Materialien wurden eigens neue Verbindungs- und Verarbeitungstechniken entwickelt. Die bis zu sechs Meter langen tragenden Balken aus Bambus-Lamellen ermöglichen einen freitragenden Raum im Obergeschoss. Am Dach halten Verbindungsknoten aus Stahl das Stabtragwerk aus Bambus zusammen. Diese sind einbetoniert in HVFA-Beton, der durch einen sehr hohen Flugaschegehalt gekennzeichnet ist. Das Dach besteht aus einer speziellen PVC-Membran. An den Fassaden ist der Bambus mit lichtdurchlässigen ETFE-Folien kombiniert. Das Gebäude ist umweltfreundlich und mobil: Es kann zerlegt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Die eingesetzten Materialien sind wiederverwendbar oder recycelbar.
Futuristisch und multifunktional
Das Design des „Deutsch-Chinesischen Hauses” wirkt leicht, elegant und futuristisch und verbindet Stilelemente beider Kulturen. Dachfassaden und Innenraumstützen erinnern an Bambusfächer oder Papierschirme, und die Fassade durch Form und Lichtdurchlässigkeit an einen geschliffenen Edelstein. Die dreieckigen Ein- und Ausgänge ähneln gotischen Bauformen. Die beiden Enden der Halle sind Freiräume. Das Haus ist mit weißem, glänzendem Stoff verkleidet, der zwischen die Bambussäulen gespannt ist und das Haus bei Nacht wie einen Lampion erscheinen lässt.
Der Bau hat einen Ausstellungs-, einen Spiel- und einen Konferenzbereich. An der Längsachse der großzügigen Halle im Untergeschoss können die Besucher an einem interaktiven Stadtspiel teilnehmen. Das Obergeschoss in vier Metern Höhe ist über eine Stahltreppe erreichbar, die durch eine geflochtene Tragsäule gestützt wird. Hier befindet sich der 80 Quadratmeter große Lounge- und Konferenzraum, der zum Dach hin offen ist. Zum Lärmschutz ist der Raum rundherum mit zwölf Millimeter dicken, transparenten Polycarbonatplatten verkleidet. Ebenfalls im Obergeschoss stehen drei miteinander verbundene ovale Bauten – in den Farben der deutschen Flagge.
Die Einbauten und Möbel wurden von Markus Heinsdorff eigens für das „Deutsch-Chinesische Haus” entwickelt. Sie sind praktisch, futuristisch – und zugleich Kunstobjekte. Auch hier gilt das Prinzip der Nachhaltigkeit: Minimaler Ressourcenaufwand und der Einsatz von umweltfreundlichen Materialien wie Bambus haben Priorität. Die Bambusmöbel sind leicht, flexibel und fest. Mehrere Schichten aus hauchdünnem Bambusfurnier wurden in verschieden Formen miteinander verleimt. So sind bequeme, federnde Sessel entstanden, Sitze und Tische, die ohne Aufwand übereinander gestapelt werden können – und Skulpturen im Raum bilden.
Markus Heinsdorff
Markus Heinsdorff wurde 1954 in Steinkirchen bei München geboren. Von 1976 bis 1981 studierte er Bildhauerei an der Akademie für Bildende Künste in München. Seither wurden seine Werke und Installationen in Thailand, Indonesien, China, Indien, USA und zahlreichen europäischen Ländern ausgestellt. Seit über dreizehn Jahren beschäftigt sich Heinsdorff intensiv mit asiatischen Kulturen und dem nachhaltigen, traditionsreichen Werkstoff Bambus. In zahlreichen Installation und innovativen Bauten hat er erstmals Bambuslaminate und Naturrohr mit neuen Gestaltungsformen und eigens entwickelten Verbindungstechniken einsetzt.
MUDI
Das Architekturbüro MUDI beschäftigt sich vor allem mit energieeffizienter und mit nachhaltiger Architektur in China. Seit 2008 ist es für die planerische Umsetzung der Bambuspavillons nach den Entwürfen von Markus Heinsdorff für „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ verantwortlich. Für die Planung und Genehmigung des „Deutsch-Chinesischen Hauses“ arbeitete MUDI und das Planungsteam eng dem Planungsbüro der Tongji-Universität in Shanghai zusammen.
Shanghai Oriental Expo Services
Das Unternehmen ist auf Ausstellungen, Messebau und –design sowie Innendekorationen in ganz China spezialisiert. Seit 2007 realisierte Shanghai Oriental Expo Services die Bambusbauten nach den Entwürfen von Markus Heinsdorff für „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“.
Beteiligte Universitäten
Für die innovative Statik und neue Verbindungstechnologien waren unter anderem der Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion der TU München sowie das Institut für Massivbau und das Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen der TU Darmstadt beteiligt. Die Genehmigungsverfahren unterstützte die Tongji Universität in Shanghai und deren Experten-Kommission.
Mehr über „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“:
www.dezhongtongxing.com, www.deutschland-und-china.com
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