Interieur Design ist im Allgemeinen schon ein riesiges Thema. Doch noch gigantischer wird es im automobilen Bereich. In dem der Fahrer und die Beifahrer auf kurze Distanz unterschiedliche Materialien gegenüber und auch darauf sitzen. Interaktionen mit Knöpfen, Einstellrädern, Belüftungssystemen, Türen und natürlich dem Lenkrad müssen wohl überlegt sein. Welche Materialen wo und wie Verwendung finden konnten wir mit unseren 4 Sinnen live erleben. Die vier Mercedes-Benz Experten: Sabine Engelhardt, Martin Bremer, Peter Balko und Tobias Beitz zeigten uns alle die spannenden Facetten des Interieur Designs und deren harmonisches Zusammenspiel.
FÜHLEN
Beginnen wir mit dem Fühlen. Mercedes-Benz Experte Martin Bremer (Leiter Design Color & Trim – Mercedes-Benz Design) wies uns in die Material-Lehre ein. Allein das Aussehen von Materialien bewirkt beim Menschen schon einen tiefen psychologischen Eindruck. So können Strukturen oder Beschichtungen auf hochwertigen Materialien eine minderwertige Wahrnehmung erzeugen. Beim Anfassen allerdings wird schnell klar, dass es sich um qualitativ hochwertige Materialen handelt, wie z. B. Leder. Erst durch den menschlichen Sinn Fühlen wird ein Erkennen von Materialien spürbar.
Wie wir feststellen (und fühlen) konnten, läuft die Materialforschung nach Nachhaltigen Rohstoffen von Mercedes-Benz auf Hochtouren. Beispielsweise aus der Sojaproduktion fallen viele überschüssige Restprodukte an. Getrocknet und gepresst ergeben diese ein extrem leichtes Nutzmaterial. Eine weitere Besonderheit ist seine natürliche Haptik sowie einmaliges Struktur-Design. Spannend, da das Bedürfnis nach Individualismus immer weiter steigt.
RIECHEN
Weiter geht’s zum Riechen. Geruchs-Expertin Sabine Engelhardt zeigte uns die Maybach Flakon-Beduftungsanlage. „Duft – und insbesondere Parfüm als die höchststehende Entwicklung von Duft – ist ein Kulturträger ersten Ranges“, sagt Sabine Engelhardt. „Durch Parfüm werden Wahrnehmung, Ästhetik und Sinnlichkeit zu einem Gesamterlebnis verschmolzen. Eine Beduftung im Fahrzeug bietet somit die Möglichkeit, die Stimmungslage der Fahrzeuginsassen positiv zu beeinflussen und gleichzeitig Premium-Fahrzeuge weiter zu individualisieren.“
Der Duftflakon sitzt in der hinteren Fond-Mittelkonsole des Maybachs. Dieser kann mit unterschiedlichen Düften, oder auch mit dem eigenen Lieblingsparfüm, befüllt werden. Der bekannte Glasbläser Michael Schwarzmüller aus Karlsruhe ist der Erzeuger des mundgeblasenen Parfümflakon. Sein Markenzeichen ist der rote Zipfel im Inneren des Flakons.
Star-Parfümeurin Ursula Wandel entwickelte mit Sabine Engelhardt die zwei exklusiven Düfte CITRUS und AGARWOOD. Auf mehrmaliges Nachfragen ob diese auch allgemein Bezogen werden könnten, wurde dies (immer wieder) verneint. Leider nur mit einem Maybach zusammen. Schade, denn CITRUS ist mal einer der genialsten Düfte überhaupt. Dieser riecht nach absolut echter Zitrone, man möchte am liebsten reinbeißen.
SEHEN
Der nächste Sinn ist das Sehen. Interieur Entwurfs-Leiter Peter Balko zeigte uns verschiedene Farbkombinationen im Interieurdesign. Wir haben festgestellt, das jede Altersgruppe seine eigenen Wünsche und Charakteristika haben. Während die jüngeren Autofahrer auf den sportlich schwarzen Look wert legen, wollen die Älteren dezentere wärmere Farben. Fast erinnert das Ambilight im Innenraum an einen Opernbesuch. Dunkle Töne mit helleren Akzenten und der indirekten Beleuchtung gestalten den Aufenthalt angenehm.
Auch neu ist der dominante Flachbildschirm im Zentrum der Konsole. Dieser schwebt im Raum und trägt als Kunstgesamtwerk bei. Früher versteckte man seine elektronischen Geräte hinter dicken Schranktüren. Heute allerdings zeigt man seine stylischen elektronischen Helfer. Ganz im Sinne von iPad & Co gehört dies heute zum neuen Gestaltungskonzept.
Viel Wert wird auf Ergonometrie und die barrierefreie Bedienung gelegt. So befindet sich der Bedien-Controller in der Mittelkonsole. Der Arm ruht auf der Ablagefläche und eine einfache Bedienung der Funktionen ist gewährleistet. Durch diese Neuanordnung ergibt sich ein noch größeres Raumgefühl und erhöht die Sicherheit.
HÖREN
Der vierte Sinn ist das Hören. Mit detektivischer Feinarbeit sind rund 200 Experten bei Mercedes-Benz allen Geräuschquellen eines Fahrzeugs auf der Spur. „Alles, was sich bewegt, kann ein Geräusch erzeugen, und die benachbarten Komponenten sind dafür verantwortlich, dass es übertragen wird. Das betrifft am Ende fast jedes Einzelteil des Fahrzeugs“, erklärt uns der Sound-Designer und studierte Physiker Tobias Beitz.
Die Arbeit der Fahrzeugakustiker beginnt jedoch nicht erst bei den ersten Testfahrten mit einem neuen Mercedes-Benz. Bereits in der frühen Konzeptionsphase, noch bevor der Wagen zusammengebaut ist, werden die Einzelteile bewertet. Per Simulation, im Akustiklabor und an den verschiedensten Geräuschprüfständen, die mit speziellen Mikrofonen ausgestattet sind, können die Experten sich buchstäblich in nahezu jedes Bauteil hineinversetzen und jegliche Schwingung darstellen und analysieren. Für die Hörproben im fertigen Fahrzeug haben Beitz und sein Team zusätzlich stets einen überaus sensiblen Begleiter dabei – den Kunstkopf. Er kann räumlich hören und zeichnet auch feinste Geräusche auf.
Nachdem im Labor alle Störgeräusche identifiziert wurden, werden diese zum Schweigen gebracht. Mit speziellen Gehäusen werden die störenden Geräusche gedämmt. Nun beginnt das Sounddesign der gewünschten Komponenten. Denn bestimmte Geräusche sind gewünscht. Knöpfe sollen akustische Rückmeldungen geben und ein Sportwagen soll klingen wie ein Sportwaren. Während eine Limousine dezent die Fahrbahn entlang gleitet, hört man den SLS AMG schon von Weitem.
TRENDS
Das gezogene Resümee ist der eindeutige Trend hin zu nachhaltigen Materialien. Dabei steht Mercedes-Benz ganz im Zeichen des Green-Design. Restprodukte aus der Sojaproduktion werden wohl bald das Interieur Design beflügeln. Hightech Verbundstoffe machen die Fahrzeuge leichter und effektiver. Geringe Geräuschentwicklung macht das Fahren stressfreier. Düfte im Innenraum individualisieren das eigene Fahrzeug. Eine schwebende Anordnung von Komponenten wie Flachbildschirmen erleichtert die visuelle Ergonometrie. Nicht der Mensch muss sich auf das Fahrzeug einstellen, das Fahrzeug stellt sich immer mehr auf dem Menschen ein. Eine sehr spannende Automobil-Entwicklung.
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