Deutschland Pavillon Expo 2010 Shanghai

© Architektur Schmidhuber + Partner / Ausstellung Milla & Partner Foto Andreas Keller

Im Deutschen Pavillon in Shanghai präsentiert sich die Bundesrepublik als vielseitige, ideenreiche Nation, als ein innovatives und zukunftsorientiertes Land, das gleichzeitig großen Wert darauf legt, Wurzeln zu erhalten und Traditionen zu bewahren. Wichtig für die Stadt von morgen sind Vielfalt und Gleichgewicht – nicht Gleichheit. Erst durch ihr Zusammenspiel entstehen ihre besondere Lebensqualität und Lebensenergie. Darum gilt es, diese Vielschichtigkeit zu bewahren – ohne dabei auf Innovation und Technik zu verzichten. Dieses ganz eigene, individuelle Gesicht Deutschlands will die Bundesrepublik glaubhaft und nachhaltig umsetzen. Der deutsche Beitrag zum Thema der EXPO 2010 „Better City, Better Life“ lautet daher:

balancity – eine Stadt in Balance zwischen Erneuerung und Bewahren, zwischen Innovation und Tradition, zwischen Urbanität und Natur, zwischen Gemeinschaft und Individuum, zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Globalisierung und nationaler Identität. Dieser Kerngedanke ist überall im Deutschen Pavillon zu finden und für den Besucher erlebbar. Das Kunstwort aus „Balance“ und „City“ greift damit das EXPO-Thema „Better City, Better Life“ auf.

Der Grundgedanke von balancity spiegelt sich bereits in der Architektur wider. Eine Stadt ist eingebautes Sinnbild für die Balance von Vielfalt und Dichte, gebildet aus unterschiedlichen historischen Schichten, Räumen, Funktionen und Atmosphären. Der Wandel der Industrie von der Produktion zur Dienstleistung hat in vielen Städten große Fabrik- und Lagerflächen dem öffentlichen Leben freigegeben, die zu attraktiven Park- und Wohnanlagen umgewandelt worden sind. Der Naturraum, die Landschaft hält Einzug in die Stadt. Die historisch gewachsenen Antipoden Stadt und Landschaft verzahnen sich im zeitgenössischen europäischen Städtebau zu einem Organismus des Miteinanders. Das entstehende Bewusstsein für nachhaltige, energieeffiziente Lebenskonzepte führt zu einer Integration der Natur in städtische Räume und Architekturkonzeptionen. Die Architektur des Deutschen Pavillons ist wie ein dynamischer, urbaner Organismus, eine begehbare dreidimensionale Skulptur gedacht und spiegelt die Vielfalt des Lebens in der Stadt und der Landschaft in Deutschland wider.

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Der Lageplan

Das Pavillon-Grundstück liegt südlich der Lupu-Brücke auf der Pudong-Seite von Shanghai und misst eine Fläche von rund 6.000 Quadratmetern. Unmittelbare Nachbarn sind Frankreich, Polen und die Schweiz. Die vier Pavillons gruppieren sich um eine kleine EXPO-Plaza. Den vier Seiten des Deutschen Pavillons sind unterschiedliche Funktionen zugeordnet: Die Südseite beinhaltet die Infrastruktur mit Service- und Technikräumen und ist über eine gesonderte Erschließungsstraße erreichbar. Die Nordseite ist die repräsentative Seite des Pavillons, die vom Besucher erlebt wird. Das Restaurant, der Eingang zur Ausstellung, der Souvenirshop und die Veranstaltungsfläche mit Bühne werden von der EXPO-Plaza im Nordosten betreten.

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Die Pavillonstruktur

Der Pavillon gliedert sich in zwei Bestandteile: Landschaft und Baukörper. Eine Terrassenlandschaft erstreckt sich vom Erdgeschoss bis zum dritten Obergeschoss. Darüber scheinen vier silberfarbene Ausstellungskörper zu schweben. Sie bilden ein Dach, das die Besucher, die durch Isometrie Terrassenlandschaft © Architektur Schmidhuber + Kaindl / Ausstellung Milla & Partner die Landschaft wandern, vor Sonne und Regen schützt. Zwischen den Ausstellungskörpern und der Landschaft entsteht ein räumliches Spiel von innen und außen, Licht und Schatten, Enge und Weite.

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Die Terrassenlandschaft

Die Infrastruktur des Pavillons, die Besucherinformation, der Souvenirshop, das Restaurant, die Servicebereiche und die Büros sind in die begehbare Terrassenlandschaft eingebettet. Sie bilden einen T-förmigen Grundriss, der mit seiner Längsseite an die Erschließungsstraße angrenzt. Der gesamte Servicebereich des Pavillons ist in diesem rückwärtigen Bereich angeordnet. Der kurze Schenkel des T-förmigen Grundrisses teilt die Erdgeschossfläche in die Landschaft und einen urbanen, städtischen Bereich. Hier liegen Veranstaltungsplatz mit Bühne und Fläche für temporäre Ausstellungen und Events, Souvenirshop und deutsches Restaurant. Die Erlebnistour durch balancity beginnt für die Besucher mit der Terrassenlandschaft im Erdgeschoss. Wie ein Labyrinth schlängelt sich der Weg als Wartebereich in Richtung Einlass. Dabei entstehen unterschiedliche Raumsituationen, Tunnel, Plätze und Höfe. Er endet auf einer Terrasse im ersten Obergeschoss, die einen Ausblick auf die Landschaft und den urbanen Platz des Pavillons eröffnet. Über einen Tunnel betritt der Besucher die städtischen Erlebnisräume von balancity.

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Der Deutsche Pavillon als Raumskulptur

Vier große Ausstellungskörper sind Sinnbild für das Spiel der Kräfte aus Tragen und Belasten, Anlehnen und Stützen. Für sich allein betrachtet befindet sich jeder Körper in einem labilen Gleichgewicht. Erst im Zusammenspiel der Körper miteinander entsteht ein stabiles Gleichgewicht. Das spiegelt die Idee von balancity im architektonischen Sinne wider. Die Körper bilden ein großes Dach über der Landschaft, das den Besuchern Schatten spendet und vor Regen schützt. Es entsteht ein spannungsvoller Wechsel von Innen- und Aussenraum, von Licht und Schatten, von Gebautem und Natürlichem, von Stadt und Landschaft.

Der Weg durch die Ausstellungskörper ist wie eine Promenade angelegt. Der Besucher bewegt sich, wie in einer Stadt üblich, aktiv und passiv durch die Räume: zum Teil zu Fuß, zum Teil auf Fahrsteigen und wird so durch die verschiedenen städtischen Räume von balancity geführt. Dabei gehen zweigeschossige in eingeschossige Räume über, ihre Steigungen und Wendungen moderieren den Besucherfluss. Abschließender Höhepunkt ist die Energiezentrale, ein vertikaler Theaterraum von zwölf Metern Höhe mit drei kreisförmigen Rängen. Über drei parallel übereinander laufende Treppenanlagen betreten 600 Besucher gleichzeitig den Raum. Im richtigen Timing entfaltet seine Dramaturgie ihre Wirkung: Gemeinsam erlebt das Publikum den ersten großen Eindruck eines imposanten Theaterraums. Das schafft Gemeinschaft für die Show im Anschluss. Danach wird der Besucher über die spiralförmige Treppenanlagen wieder nach unten und auf den Veranstaltungsplatz geführt.

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Die Oberflächen und Fassaden

Die Landschaft erinnert an ein geologisches Schichtmodell, ein ausgestochenes Stück Land, auf dessen Oberfläche ein spezielles Gras wächst, das sich über den Zeitraum der EXPO von Grün zu Rot verfärbt und so den Wandel der Jahreszeiten abbildet. Die Seiten legen gleich einem Steinbruch die einzelnen Erdschichten frei, die aus Holzlamellen bestehen. Eine der Erdschichten zeigt in Form von Solarzellen den Energieträger der Zukunft: Silizium. Über der Landschaft balancieren die Ausstellungskörper wie Wolken. Ihre Fassade ist mit einer transparenten Membran bespannt. Das silbern glänzende Gewebe reduziert die Sonneneinstrahlung und verwandelt sich abends in ein Lichtsegel. Durch die Transparenz der Membran verändert sich je nach Tageszeit und Witterung das Erscheinungsbild des Pavillons; mal sieht er aus wie ein opaker Kristall, mal lässt die Fassade wie eine durchsichtige Gaze das Innere des Pavillons durchscheinen.

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Die Protagonisten Jens und Yanyan

Auf dem Weg durch den Deutschen Pavillon begleiten den Besucher zwei Protagonisten, ein junger Deutscher und eine junge Chinesin. Jens hat als Student ein Jahr an der Universität in China verbracht und zeigt nun Yanyan, einer Architektur-Studentin, die er dort kennen gelernt hat, Deutschland – sein Land und seine Lebenswelt. Gemeinsam mit den beiden jungen Menschen, die zunächst multimedial auftreten, gilt es, nach und nach balancity zu entdecken. Auf dem Weg durch die „Stadt im Gleichgewicht“ erläutern Jens und Yanyan den Besuchern Ideen und Lösungen zu urbanen Herausforderungen. Sie zeigen Innovationen und Konzepte „Made in Germany“, die einen Beitrag zum EXPO-Thema „Better City, Better Life“ beisteuern.

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Die Landschaft

Die Pavillon-Besucher kommen in einer begehbaren Terrassenlandschaft an. Am Wegesrand stehen riesige, dreidimensionale Postkarten, die Jens an Yanyan geschrieben hat. Deutsche Landschaften und Sehenswürdigkeiten wie die Sächsische Schweiz, das Brandenburger Tor oder das Schloss Neuschwanstein repräsentieren ihr jeweiliges Bundesland und geben erste Einblicke in das Leben in Deutschland. Auf diesem Bundesländerparcours gelangt der Besucher hinein in die Stadt. Wer möchte, kann sich vor den Postkarten fotografieren lassen. So wird selbst das Warten auf den Einlass zu einer spannenden Entdeckungsreise.

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Der Stadtrand

Der Weg des Besuchers steigt langsam an und führt ihn auf eine Rampe. Hier zeigen in den Boden eingelassene Luftaufnahmen besondere und typische Stadtrandstrukturen Deutschlands. Exponate in Vitrinen und interaktiven Stelen erlauben tiefere Einblicke. Vorgestellt werden besonders nachhaltige Versorgungseinrichtungen und Erholungsräume für die Bewohner deutscher Städte. Die ausgewählten Beispiele stehen für eine ökologische und nachhaltige Entwicklung moderner deutscher Städte. So unterstreicht der Solarpark Brandis / Waldpolenz als eines der größten Solarkraftwerke der Welt Deutschlands Vorreiterrolle als Erzeuger erneuerbarer Energien, während der Schwarzwald für die perfekte Balance zwischen stadtnaher Erholung und nachhaltig betriebener Forstwirtschaft steht.

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Der Tunnel

Durch eine pulsierende Lichtschleuse betreten die Besucher einen Fahrsteig. Über einen Tunnel mit multimedialer Inszenierung werden sie mitten in das Bilder- und Geräuschemeer einer Stadt hinein gezogen: Züge, Autos und Busse, Fußgänger und Skater ziehen an den Besuchern vorbei. So macht der Tunnel die Vielfalt der Mobilität in Deutschland spürbar und lässt den Besucher in die dynamische Stadtatmosphäre von balancity eintauchen.

Der Hafen

Das Ende des Tunnels öffnet sich zu einem tiefblauen Unterwasserraum mit Wassergeräuschen, Luftblasen, Spiegelungen und Reflexionen. Auf einer Rolltreppe durchstoßen die Besucher scheinbar die Wasseroberfläche und betreten ein beeindruckendes zukunftsweisendes Stadtbild: die Hamburger HafenCity mit blauem Himmel, Möwengeschrei und Menschen. Typische Hafengeräusche und ein spektakuläres Panorama von nachhaltigen Vorzeigebauten wie der Elbphilharmonie, dem Science Center oder dem Unilever-Gebäude empfangen die Besucher. Hier geht es nicht nur um Erneuern, sondern auch um Bewahren; es geht darum, auf alten Wurzeln Neues zu bauen.

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Das Planungsbüro

Aus einer städtischen Skyline entfaltet sich ein neuer, großer Raum mit überdimensional großen Plänen, Modellen und Skizzen, die aus den Wänden und dem Boden ragen. Thema sind hier innovative und nachhaltige Stadtentwicklung und städtische Infrastruktur als ein lebendiger Prozess. Als Beispiele dienen u.a. die HafenCity Hamburg als Europas größtes innerstädtisches Projekt nachhaltiger Stadtentwicklung, die Solarsiedlung am Schlierberg in Freiburg mit ihren Plusenergiehäusern oder der Umbau von Großwohnsiedlungen, der demonstriert, wie man durch gezielten Rückbau und planvolle Landschaftsarchitektur veraltete Plattenbausiedlungen revitalisieren kann. Auch soziale Nachhaltigkeit wird in diesem Raum thematisiert: Das Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser zeigt wie Menschen unterschiedlicher Herkunft und Generationen miteinander in Dialog treten und voneinander profitieren können.

Der Garten

Der Besucher betritt den Garten von balancity, der Energie, Kraft und Lebensfreude ausstrahlt. Der Raum ist eine Inszenierung aus Bildern, Geräuschen und dreidimensionalen Objekten, die die Bedeutung von privaten Grünflächen und Momenten der Erholung inmitten der modernen und pulsierenden Metropolen erlebbar machen. Riechstationen mit Blumen-, aber auch Grillduft versetzen die Gäste von balancity in deutsche Gärten. Thematisiert werden Formen typisch deutschen Grüns wie etwa der Schreber- oder der Schulgarten, aber auch nachhaltige Integrationsprojekte wie die Interkulturellen Gärten. Kinder können von hieraus den nächsten Raum über eine große Rutsche erreichen.

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Das Depot

Ein großer Raum, in dem warme Holztöne dominieren, empfängt jetzt den Besucher auf seinem weiteren Weg. Hochregalartige Strukturen bis zur Decke sind gefüllt mit innovativen Design-Produkten, mit Dingen, die zu einem besseren Leben in der Stadt beitragen. Präsentiert wird die Vielfalt der deutschen Design- und Ingenieursleistungen. Die Palette reicht vom Messerset TWIN Profection der Zwilling J.A. Henckels AG, über das Kinderholzlaufrad LIKEaBIKE der Firma Kokua bis hin zu der mikroprozessorgesteuerten Beinprothese C-LEG von der Otto Bock Healthcare GmbH. Auch für die kleinen Besucher gibt es viel zu entdecken: Innovative Spielzeugkreationen bekannter deutscher Hersteller lassen Kinderherzen höher schlagen – von Playmobil über fischertechnik bis hin zum Kosmos Experimentierkasten. Im Anschluss daran betreten die Menschen eine hoch technisierte Produktionshalle, die Fabrik.

Die Fabrik

Die Fabrik ist ein Raum, der ständig in Bewegung ist. Die Besucher werden über Fahrsteige befördert; ein Kreisförderer an der Decke transportiert schemenhafte Objekte, die zunächst nicht zu erkennen sind. Erst wenn sie die interaktiven Scanner-Stationen durchfahren, wird deutlich, was sich dahinter verbirgt. Der Besucher kann die Objekte per Gestensteuerung durchleuchten und Informationen in Form von Filmen dazu abrufen. Die Objekte stehen für Innovationen, Produkte und Verfahren deutscher Unternehmen und Institutionen zum EXPOThema „Better City, Better Life“ – zukunftsweisende Schlüsseltechnologien wie die organischePhotovoltaik, Offshore-Windenergie oder emissonsfreie Mobilität. Ein weiterer Bereich der Fabrik enthält innovative Materialentwicklungen aus Deutschland zum „Begreifen“: organische Materialien wie Pappelflaum und künstliche Spinnenseide oder Hightech-Produkte wie schadstoffneutralisierende Dachsteine und textilbewehrter Beton können berührt, ertastet und gerochen werden.

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Der Park

Im deutlichen Wechsel zur betriebsamen Fabrik folgt ein Stadtraum mit Tageslichtatmosphäre, der Ruhe und Heiterkeit ausstrahlt. Aus einer umgekehrten Blumenwiese hängen Schauglocken mit 360°-Panoramen von oben herab und lassen die Besucher im wahrsten Sinne des Wortes in öffentliche Grünanlagen deutscher Städte eintauchen. Parks aus ganz Deutschland sind hier vertreten, darunter der Englische Garten in München, die Wilhelma in Stuttgart, der Landschaftspark Aqua Magica in Bad Oeynhausen oder der Bibelgarten St. Johanniskloster in Schleswig. Am Ende des Raumes lassen sich außerdem besondere Geschichten im Inneren von Traumkugeln entdecken.

Das Atelier

Die Reise durch die Stadt führt die Besucher nun vom Tageslicht in das Atelier. In diesem Raum geben unterschiedliche Kabinette Einblick in Projekte deutscher Künstler, in Gebäude der Kreativität und in Werkstätten, die zur kulturellen Balance der Stadt und ihrer Bewohner beitragen. Nicht nur Themen wie Gunter Demnigs „Stolpersteine“, die an Opfer des Nationalsozialismus erinnern und das Bild deutscher Städte verändert haben, sondern auch die RUHR.2010, Kulturhauptstadt Europas im EXPO-Jahr, ein Bücherturm, an dem wichtige Werke deutscher Autoren zu hören sind oder bunte Masken der schwäbisch-alemannischen Faßnacht zeigen die Lebendigkeit und Vielfalt deutscher Kultur. An vielen dieser Stationen können sich die Besucher auch selbst einbringen, kreativ sein und so zur Lebendigkeit des Raumes beitragen.

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Der Stadtplatz

Der Stadtplatz ist das Zentrum von balancity; er ist der Ort, an dem sich die Stadtbewohner begegnen – mit Raum für gemeinsame Erlebnisse, Kommunikation und freie Meinungsäußerung. Hier treffen die unterschiedlichsten Kulturen und Generationen aufeinander, entstehen Blickkontakte und gemeinsame Aktivitäten. Und er ist die Bühne für Kunst und Kultur.

Dieser Raum geht den Besuchern ins Ohr. Auf einer geschwungenen Leinwand ist „Tonfänger“ Konrad Küchenmeister bei der Arbeit zu sehen. Auf der Suche nach den Tönen der Stadt nimmt er, ausgerüstet mit Mikrofon und großem Lautsprecher, die Besucher mit auf eine Reise durch deutsche Städte. Auf Stadtplätzen und bei Veranstaltungen wie Open-Air-Konzerten, Stadtfesten oder einem Stadtmarathon nimmt er Musik, Schauspiel und Gesang, aber auch das Lachen von Kindern, lautstarke Demonstranten, bellende Hunde und das Klacken von Skateboards auf. Seine gesammelten Klänge fügen sich wie die Instrumente eines Orchesters zu einer mitreißenden musikalischen Stadtsymphonie mit starken Bildern. Die Stadt mit ihren Menschen und deren Begegnungen wird zu einer vielfältigen, lebendigen und pulsierenden Metropole, in der das Leben Spaß macht.

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Das Forum

Gegenseitiges Verstehen, miteinander lachen und voneinander lernen, gemeinsam nach Lösungen für die Zukunft suchen – das sind die Grundlagen erfolgreicher Zusammenarbeit. Das Forum in balancity ist das Verbindungsglied zwischen Deutschland und China und steht für Dialog und Austausch. Hier präsentiert sich „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“. Während der ersten fünf Stationen der Veranstaltungsreihe kam es zwischen 2007 und 2009 in Diskussionen und auf Konferenzen, in Ausstellungen, bei Aufführungen und beim Popfestival und nicht zuletzt auf der Straße zu anregenden Begegnungen und konstruktiven Dialogen, woraus konkrete Projekte hervorgegangen sind. Die EXPO in Shanghai ist die letzte Station. Das Forum präsentiert diese Beispiele, die zeigen, wie Ideen und Impulse einzelner Menschen zur Energie und zur Lebensqualität der Städte beitragen können. Dabei werden konkrete Teilnehmer der Veranstaltungsreihe wie die Musiker Tobias Escher und Li Tianlong (alias „Jazz Boy“) oder Dr. Zhang Hui und Prof. Hans-Peter Leimer vorgestellt. Sie erzählen von ihrer ganz persönlichen deutsch-chinesischen Begegnung. Hier wird deutlich, dass „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“ zu einer Plattform des Austauschs geworden ist – für Fachleute, Künstler und Bürger, für Wissenschaftler, Lehrer und Unternehmer, über Landes -, Kultur- und Sprachgrenzen hinweg.

Im Forum warten die Besucher auf den Einlass zur Show in der Energiezentrale, einem Kegel, der am Ende des Raumes bereits geheimnisvoll und tiefrot pulsiert. Aus seinem Inneren sind Geräusche und Rufe zu hören. Die Spannung steigt.

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Die Energiezentrale

Hier entsteht die Energie, die eine Stadt zum Leben braucht. Die Energiezentrale ist das Herz von balancity und das Highlight des Deutschen Pavillons, die Quelle von Kraft und Lebensfreude. Dabei sind es die Besucher selbst, die die Quelle dieser Energie sind. Die Ideen, Gedanken und Impulse der verschiedenen Menschen werden in ein Gleichgewicht gebracht und kreieren eine Stadt in Balance.

Die Besucher betreten einen eindrucksvollen, energiegeladenen Raum, der mit einer spannungsvollen Lichtchoreografie bespielt ist, und verteilen sich auf drei Ränge. Von dort blicken sie auf das zentrale Element: eine Kugel. Sie hat einen Durchmesser von drei Metern, und ihre Oberfläche ist mit rund 400.000 LEDs besetzt. Im Lauf der siebenminütigen Show entstehen auf ihr Bilder, Farben und Formen. Sie stehen für Impulse aus Deutschland zum EXPO-Thema „Better City, Better Life“.

Jens und Yanyan, die die Besucher bisher virtuell auf ihrer Reise durch den Pavillon begleitet haben, treten nun live auf. Auf Kickboards jagen sie auf der zweiten Ebene im Kreis herum und laden die Besucher zum Mitmachen ein. Mit Hilfe von Jens und Yanyan stellen sie schnell fest, dass sie die Kugel und den ganzen Raum durch Rufen beeinflussen und zum Leben erwecken können. Die Kugel beginnt zu pendeln. Sie lädt sich mit der Energie des Publikums auf, fliegt höher und höher, wird schneller und schneller. An ihrem höchsten Punkt geht das Pendel in eine Kreisbewegung über.

In den Bildwelten der Kugel, die von Vielfalt und Gegensätzlichkeiten erzählen, bauen die Besucher selbst eine gemeinsame Stadt der Zukunft, in der sich alle wohlfühlen und in der alles seinen Platz hat, eine Stadt, die von Gegensätzen lebt und deren Vielfalt zur Lebensqualität aller beiträgt. Auf der Kugel entsteht ein Stadtbild, in dem sowohl das Erneuern als auch das Bewahren wichtig sind, in dem sich unterschiedliche Kulturen ergänzen und bereichern und verschiedene Generationen sich gegenseitig unterstützen und helfen.

Jens und Yanyan zeigen den Besuchern, wie wichtig es ist, selbst etwas für die Stadt der Zukunft zu tun, dass es auf jeden einzelnen ankommt und dass man – im wahrsten Sinne des Wortes – gemeinsam etwas verändern und bewegen kann.

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Architektur des Deutschen Pavillons – Architekturkonzept Schmidhuber + Kaindl

Temporäre Architektur.
Kalkulierte Ausnahmezustände und Experimentierfeld des Bauens.

Weltausstellungen sind temporäre Städte, ein Mosaik der Kulturen. Es sind Orte bewusster Ausnahmezustände, die über einen vereinbarten Zeitraum Konventionen und Bestehendes in Frage stellen. Orte, die der Wahrnehmung eine neue Dimension geben. Die Wahrnehmung, die Erfahrung, die Sensibilisierung erfolgt seit jeher auf allen Expos über den Raum, die Architektur, sei es in der Präsentation einer neuen urbanen Vision, sei es durch den Bau imposanter Gebäude zur Exposition oder durch pure Repräsentanz.

Eine Expo ist immer ein Schaufenster und Experimentierfeld für temporäre Architektur, die manchmal bleibt und häufig wieder abgerissen wird. Das Wesen des Verschwindens gehört zur temporären Architektur dazu. Es verleiht der Architektur die einzigartige Chance der Vorreiterrolle. Nicht auf Dauer angelegt und nicht der Gefahr ausgesetzt, übermorgen überholt zu sein, öffnen sich hier die Weiten des Experimentierfelds, ein Labor und Testfeld für neue Konzepte. Die zeitliche Beschränkung kann also inhaltliche Freiheit bedeuten und damit höchsten Erkenntnisgewinn. Welche Veränderungen ökonomischer, sozialer, politischer, kultureller Natur werden nicht zuletzt auch von Architekten vorangetrieben?

Die erste Weltausstellung fand 1851 in London als industrielle und kunsthandwerkliche Leistungsschau statt und setzte mit dem Kristallpalast des Gärtners Joseph Paxton neue Maßstäbe, bot er doch einen beeindruckenden Rahmen für die Darbietung der Produkte nahezu aller wichtigen Nationen. Paxton schuf mit seinen Erfahrungen aus dem Gewächshausbau eine der ersten Messehallen die als Stahlglaskonstruktion ausgeführt wurde. Seit der Weltausstellung 1867 in Paris präsentierten die teilnehmenden Länder ihre technischen Errungenschaften und neuen Produkte erstmals in Nationenpavillons. Ein für die zweite Pariser Weltausstellung neu entwickeltes Klassifizierungssystem für sämtliche Industrie- und Kulturgüter wie für alle Tätigkeiten der Menschen brachte auch eine revolutionäre Architektur mit sich. Der Ausstellungspalast stellte in einem riesigen Oval sämtliche Produkte einer Nation bzw. einer Gattung aus. Kulisse der Exposition universelle war das von Baron Haussmann radikal erneuerte Stadtbild von Paris. Für die vierte Pariser Weltausstellung 1889 wurden mit dem Eiffelturm und der Galerie des Machines gleich zwei der berühmtesten Ingenieursbauten des 19. Jahrhunderts errichtet. Vielleicht gilt die Exposition universelle auch daher als die wichtigste Weltausstellung. Der Eiffelturm diente zwar keinem bestimmten Zweck, doch als Wahrzeichen der Ausstellung und der französischen Hauptstadt ist er bis heute unumstößliches Symbol.

Die Ausrichtung der Weltausstellungen hat sich im Laufe der Zeit geändert. Heute geht es um globale Herausforderungen und zukunftsorientierte Lösungen. Das Thema der städtischen Entwicklung ist und bleibt jedoch jeder Expo eingeschrieben. Auf der Expo 2010 Shanghai wird es nun explizit formuliert.

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Ephemere Städte.
Die Stadt zwischen Flüchtigkeit und Beständigkeit.

Die europäische Stadt ist ein gebautes Sinnbild für die Balance von Vielfalt und Dichte, gebildet aus unterschiedlichen historischen Schichten, Räumen, Funktionen und Atmosphären. Über die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Die Radikalität der wachsenden asiatischen Metropolen steht im Gegensatz zur europäischen Stadt, die von Tradition und Historie geprägt ist. Dennoch ist auch die europäische Stadt kein festes Gebilde, sondern ein Organismus begriffen in ständiger Veränderung. Viele deutsche Städte befinden sich heute im Umbruch. Denkt man an die jahrzehntelange Flucht vor dem städtischem Zentrum hin zum Dezentralen, zur Peripherie, wirken die Kräfte heute wieder nach Innen. Zurück in die Stadt. Das Zentrum bzw. die Zentren der Stadt werden durch unterschiedlichste Altersschichten und Lebensstile hinweg wieder als attraktive lebenswerte Ort begriffen, in welchen sich Leben und Arbeiten miteinander vereinen lässt. Die Revitalisierung und Reattraktivierung, die Verdichtung und Transformation von städtischem Raum erfordert eine innovative Auseinandersetzung mit Urbanität. Die europäischen Städte befinden sich im postindustriellen Zeitalter. Großflächige Industrieareale, Hafenanlagen werden in Wohn- und Arbeitsräume umgewandelt.

Mit der Weltausstellung 2010 blickt alle Welt nach Shanghai, eine Stadt, die sich im Eiltempo verändert, nie still steht, will sie doch ganz nach oben. Gewaltige Brückenbauwerke verbinden die alten Stadtteile am Huangpu-Fluss mit dem neuen Viertel Pudong. Schwebende Verkehrsstraßen, die über bestehende Straßen gelegt wurden, laufen zu gewaltigen Kreiseln zusammen. Schlafen kann Schanghai nie: Der Bau gewaltiger Hochhäuser, Stadt- und Vorstadtbezirke nach amerikanischem Vorbild (sogenannter Compounds) und nicht zuletzt die Expo 2010 halten die Metropole bei Tag und Nacht in Atem. Neben der rasenden Entwicklung der Region hat sich Schanghai zum Ziel gesetzt, der Olympiade in Peking in nichts nachzustehen. Tausende von Planern, Architekten und Handwerkern aus aller Welt arbeiten in Pudong bis 2010 an der größten Weltausstellung der Geschichte. Das Thema der Expo, „Better City, Better Life“, konfrontiert die Stadt mit sich selbst: Allein acht U-Bahnlinien werden parallel zum Expo-Gelände und den Pavillons in Schanghai gebaut, eine Brücke von 30 Kilometer Länge wurde zur Erschließung des Hafens fertiggestellt. Der deutsche Pavillon folgt dem Thema der Expo mit dem Konzept „balancity“, einer „Stadt in Balance“ zwischen ihren Widersprüchen, zwischen Altem und Neuem, Stadt und Land, innen und außen.

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Begehbare Skulptur.
Die Architektur des Deutschen Pavillons: Begehbare Skulptur und gebautes Sinnbild für Gleichgewicht.

“balancity”, der Titel des deutschen Beitrags, widmet sich – im Rahmen des Expo-Mottos “Better City, Better Life” – dem Thema „Gleichgewicht“, in welchem die Bausteine einer Stadt zueinander stehen müssen, um sie zu einer lebenswerten Stadt zu machen. Dieses Gleichgewicht drückt der Pavillon auf den ersten Blick anschaulich aus – als Balance zwischen seinen einzelnen Baukörpern. Allein betrachtet scheinen sie instabil, als Ensemble aber halten sie sich gegenseitig perfekt im Gleichgewicht, was die Idee von “balancity” architektonisch umsetzt.
Die Vielförmigkeit des Pavillons findet zu einem Ganzen zusammen und übt sich in Balance. Ein Zusammenspiel der Kräfte aus Tragen und Lasten, aus Anlehnen und Stützen. Fast schon verspielt, üben sich die Gebäudekörper zugleich in Leichtigkeit, sie fließen aus, sie schweben. Das Spiel lässt neue Wirklichkeiten und Möglichkeiten zu. Der Pavillon lädt ein, neue Perspektiven zu erwägen. Ein Aufruf für den Erhalt der Vielseitigkeit des städtischen Lebens, zur nachhaltigen Nutzung und kreativen Aneignung von städtischem Raum. Eine Alternative zur Zersiedelung der Naturräume, eine Anregung für neue Lebensentwürfe.

Ausladende polygonale Figuren und auskragende Gebäudekörper formen Räume und Landschaften, die sich mit dem Innen verschränken. Es entsteht ein spannungsvoller Wechsel von Innen- und Außenraum. Das entstehende Bewusstsein für nachhaltige, energieeffiziente Lebenskonzepte führt zu einer Integration der Natur in städtische Räume und Architekturkonzeptionen. Die Architektur des deutschen Pavillons ist als dreidimensionale begehbare Skulptur angelegt, als dynamischer, urbaner Organismus, der die Vielfalt des Lebens in der Stadt und Landschaft in Deutschland widerspiegelt.

Das Thema „Gleichgewicht“ wird nicht in einem Gebäude ausgestellt. Vielmehr ist das Gebäude selbst Exponat. Der Balance-Gedanke wird nicht passiv betrachtet, sondern physisch durchwandert, dessen suggestive Kraft erfahren. Der Weg durch die Ausstellungskörper ist wie eine Promenade angelegt. Der Besucher bewegt sich, wie in einer Stadt üblich, aktiv und passiv durch Raum: zum Teil zu Fuß, zum Teil auf Fahrsteigen. Dabei gehen zweigeschossige in eingeschossige Räume über, ein ständiger Wechsel vom Hohen zum Flachen, vom Weiten zum Engen, vom Oben und Unten. Dabei ergeben sich ständig neue Perspektiven, ein ständiger Wandel von Raum und Zeit. Nicht das Geradlinige, sondern das Verspielte, das Ineinander ist hier Ausdruck von Fortschritt. Am Ende des Weges erlebt der Besucher den zurückgelegten Weg in einem vertikalen Theaterraum, der die erreichte Höhe von ca. 12m erfahrbar macht. Nach einer abschließenden Show wird der Besucher über die spiralförmige Treppenanlage wieder nach unten und auf den Veranstaltungsplatz des Pavillons geführt.

Die Architektur des deutschen Pavillons führt zu einer Erweiterung der räumlichen Wahrnehmung, die nicht erst in einzelnen Räumen und Gebäudeteilen einsetzt, sondern bereits in der ersten Annäherung an das Gebäude. Der öffentliche Raum der Expo Plaza führt ohne sichtbare Grenze in den Pavillon hinein. Noch bevor man die Ausstellung betritt, kann man unter das Gebäude schlüpfen und seine vielfältigen Qualitäten sehen, spüren, erwandern. Schnell offenbart sich die Verschmelzung gewohnter Grenzen (die sich jedoch nicht auflösen). Eine offene Stadt-Landschaft mit sanften Hügeln, erhabenen Anhöhen und tiefen Tälern, die alles mit allem verbindet und auf die üblichen Horizontalen und Vertikalen verzichtet, die den Blick lenkt, schweifen und durchdringen lässt und neue Bezüge erfahrbar macht. In der architektonischen Erfahrung zeigt der Pavillon, wie Urbanität und Natur in ausbalancierte Szenarien zusammenfinden in der Stadt von morgen.

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Kreative Landschaft.
Die Landschaft als Teil der Architektur und Sinnbild für zeitgenössischen Städtebau.

Deutschland, berühmt für seine Dichter und Denker, entdeckte der Begriff der „Landschaft“ vor allem in der Romantik und hat bis heute eine besondere Beziehung zu Natur und Landschaft. Das moderne Deutschland ist geprägt von einer langen Tradition technischer Innovationen und Ingenieurskunst für ein besseres Morgen. Das heute entstehende Bewusstsein für nachhaltige, energieeffiziente Lebenskonzepte führt zu einer Integration der Natur in städtische Räume und Architekturkonzeptionen. So werden die textilumhüllten Gebäudekörper, die an schwebende Wolken über einer Landschaft erinnern, zum großen Bild für die Balance zwischen für high-tech-Engineering und Landschaft.

Der Wandel der Industrie von der Produktion zur Dienstleistung hat in vielen Städten große Industrieflächen, wie Fabrik- und Lagerflächen, dem öffentlichen Leben freigegeben, die nachfolgend zu attraktiven Park und Wohnanlagen umgewandelt worden sind. Der Naturraum, die Landschaft findet Einzug in die Stadt. Die historisch gewachsenen Antipoden Stadt und Landschaft verzahnen sich im zeitgenössischen europäischen Städtebau zu einem Organismus des Miteinanders.

Der Gras bewachsende Hang ist integraler Bestandteil der Pavillon-Architektur und symbolisiert die Vielfalt des städtischen Lebens, in welcher die strikte Trennung von Arbeit und Wohnen, von Urbanität und Erholung zunehmend aufgehoben wird. Er zeigt Möglichkeiten der kreativen Aneignung von städtischem Raum, als Alternative zur Zersiedelung der Naturräume. Urbanität wird wieder als Qualität empfunden.
Gründflächen in der Stadt haben grundsätzlich einen positiven Einfluss auf das Stadtklima. Dächerbegrünungen binden Feuchtigkeit, reduzieren die Staubentwicklung und senken die Wärmeentwicklung. Letztendlich ist der bewachsende Hang ein begrüntes Gebäude, welches die gesamte Technik und Infrastruktur des Pavillons beherbergt. Von der Ferne betrachtet erinnert es an ein geologisches Schichtmodell, ein ausgestochenes Stück Land. Auf dem „Dach“ wächst ein spezielles asiatisches Gras.

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Kommunizierende Fassaden.
Nachhaltigkeit als architektonisches Zeichen: Silizium als Energieträger der Zukunft.

Von der Ferne betrachtet erinnert die Landschaft, die ja eigentlich ein Baukörper ist, an ein geologisches Schichtmodell, ein ausgestochenes Stück Land, auf dessen Oberfläche ein besonderes in China wachsendes Gras wächst. Die Seiten legen gleich einem Steinbruch die einzelnen „Erdschichten“ frei, baulich dargestellt über Holzlamellen. Eine der Schichten sticht besonders hervor und zeigt in Form von innovativen Dünnschicht-Solarzellen einen Energieträger der Zukunft: Silizium.

Die gesamte Solarfassade des Pavillons umfasst nahezu 400 Quadratmeter. So erzeugt der Pavillon einen Teil der Energie, die er verbraucht, selbst. Die semitransparenten dünnen Photovoltaikmodule schützen das Gebäude vor Wind und Wetter, wandeln Sonnenlicht in Strom und sind gleichzeitig lichtdurchlässig. Die Architektur zeigt, wie innovative und intelligente Materialien mehrfache Funktionen übernehmen können: als Fassadepaneel, Verschattungselement oder als integraler Bestandteil der Energiegewinnung. Die Fassade des Landschaftsgebäudes wird zum Sinnbild für Nachhaltigkeit.

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Intelligente Fassaden.
Die textile Fassade: Ein Spiel von Licht und Schatten, Einblick- und Ausblick.

Die Fassade des Deutschen Pavillons ist mit einer ungewöhnlichen Textilhaut, einer transparenten Membran bespannt. Ihre Leichtigkeit erinnert an die zarte Seide von schattenspendenden Sonnenschirmen. Von unten oder von der Seite aus betrachtet, wirken die Gebäudevolumen wie schwebende Wolken über einer Landschaft. Die ausladenden Figuren der Architektur formen Räume und Landschaften, die sich mit dem Innen verschränken. Es entsteht ein spannungsvoller Wechsel von Innen- und Außenraum, Einblicken- und Ausblicken, die das Innen und Außen in Beziehung setzen.

Das silbern glänzende Gewebe ist nicht nur schön anzusehen, sondern übernimmt eine wichtige Funktion. Speziell für Fassadenverschattungen entwickelt, wird das Material großflächig über den gesamten Baukörper gespannt. Tagsüber unterstützt es die Klimatisierung, indem es die Sonneneinstrahlung bis zu 80 Prozent reflektiert und somit die Erwärmung des Innenraumes reduziert. Gleichzeit verschattet es die darunterliegende Landschaft, was ebenso der Kühlung dient.

Die Haustechnik kann entsprechend geringer dimensioniert werden, es kann Energie gespart werden. Nachts verwandeln sich die Flächen in große Lichtsegel, die von speziellen Leuchten angestrahlt, die Umgebung ausleuchten. Die Haustechnik, die Fluchtreppenhäuser und alle technischen Details werden hinter dem Gewebe im Außenraum geführt. Das Gewebe verbirgt alle technischen Details eines typischen Gebäudes und schafft einen monolithisch skulpturalen Ausdruck.

Durch die Transparenz der Membran und durch die weich spiegelnde Oberfläche, die jede Lichtfarbe aufnimmt, verändert sich je nach Tageszeit und Witterung das Erscheinungsbild des Pavillons. Verändern sich Orte im Kontext von Zeit, so ist zeigt auch der Pavillon kein eindeutiges Gesicht, sondern ist vielmehr die Geschichte einer Verwandlung: mal sieht er aus wie ein opaker leuchtender Kristall, mal lässt die Fassade wie eine durchsichtige Gaze das Innere des Pavillons durchscheinen.

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Urbaner Eingangsbereich.
Der Eingangsbereich als urbane Erfahrung: Ein Ort zum informieren, treffen, verweilen, austauschen.

Das Grundstück des Deutschen Pavillons hat eine Fläche von 6000m2..Unmittelbare Nachbarn sind Frankreich, Schweiz und Polen. Die vier Pavillons gruppieren sich um eine kleine Expoplaza, die für vielfältige Veranstaltungen genutzt wird. Den vier Seiten des Deutschen Pavillons sind unterschiedliche Funktionen zugeordnet: Die Südseite beinhaltet die Infrastruktur mit Service- und Technikräumen und ist über eine gesonderte Erschließungsstraße erreichbar. Die Nordseite ist die repräsentative Seite des Pavillons, die von den Besuchern erlebt wird. Das Restaurant, die Information, der Eingang zur Ausstellung, der Souvenirshop und die Veranstaltungsfläche mit Bühne werden von der EXPO-Plaza im Nordwesten her erreicht.

Das Spiel von Außenraum und Innenraum, von Öffentlich und Privat zeigt sich bereits darin, dass es keinen expliziten Eingang gibt, vielmehr sind es Übergänge, wie man schon an der fehlenden Grundstücksmarkierung erfahren kann. Noch bevor man die Ausstellung betritt, kann man unter das Gebäude schlüpfen und seine vielfältigen Qualitäten sehen, spüren, erwandern. So ist der Eingangsbereich kein funktionaler Ort, wo das Eintreten organisiert wird, sondern ein urbaner Aufenthaltsort der gemeinsamen Partizipation. Hier kann man sofort einkaufen, das deutsche Restaurant besuchen, an Veranstaltungen teilnehmen, sich informieren, treffen, verweilen und austauschen.

Der Weg in die Ausstellung „balancity“ beginnt mit der Terrassenlandschaft im Erdgeschoss. Wie in einem Labyrinth schlängelt sich ein Weg durch den Wartebereich in Richtung Einlass. Dabei durchschreitet und erlebt der Besucher unterschiedliche Raumsituationen, wie Schluchten, Plätze und Höfe. Schließlich betritt er eine Terrasse im ersten Obergeschoss mit herrlichen Ausblicken über die Landschaft und das urbane Treiben.

Anamorphotische Bäume.
Das Restaurant im Deutschen Pavillon bietet deutsche Spezialitäten und optische Spiele.

Das Restaurant im Deutschen Pavillon holt auf besondere Weise die Landschaft in den Raum. Hierzu ein kleiner Exkurs: Der Begriff der Landschaft ist jung. Letztlich kam es mit der Deutschen Romantik zu einer verstärkten und verbreiteten Wahrnehmung von Natur, die nun als Quelle der Inspiration empfunden wurde, weniger als Bedrohung. Die Empfindung von Landschaft ist also eine aktive Leistung von Wahrnehmung, auch wenn sie heute ist eine Selbstverständlichkeit empfunden wird.

Diese Besonderheit macht die Gestaltung des deutschen Restaurants erlebbar. Blickt der Besucher von außen in das Restaurant, sieht er eine Landschaft mit frei stehenden Bäumen vor einer hügeligen Landschaft. Beim Eintreten in das Restaurant verschwimmen jedoch die Bäume und bei direkter Annäherung lösen sich die Bäume gar zu Buchstaben auf. Sie entpuppen sich als Grafik. Diese Landschaft ist eine anamorphotische Projektion. Allein von einer einzigen Position aus sind die Bäume erkennbar, aus allen anderen Perspektiven zerfällt das Bild.

© Architektur Schmidhuber + Partner / Ausstellung Milla & Partner Foto Andreas Keller

Modularität.
Die VIP-Lounge

Die VIP-Lounge veranschaulicht, wie sich das Thema Balance alle Lebensbereicht durchzieht. Die Lebensentwürfe der Moderne, aufbauend auf die Mobilität der Gesellschaft, Flexibilität des Raumes gewinnt eine immer stärkere Bedeutung. Arbeiten und Wohnen verschmelzen. Die Zyklen der Veränderung finden im Tages-Rhythmus statt. Ein Wohnzimmer wird über den Tag zum Konferenzraum, um am Abend für eine Party als Empfang zu dienen. Möbel lassen sich von einer Lounge zu einer Vortragssituation verändern. Polygonale Formen ziehen sich durch den langgestreckten Raum sowie von der Decke zum Boden, verschmelzen die verschieden Funktionen des Raumes miteinander: das modulare Sitzmöbelkonzept, die Computerarbeitsplätze und den hinteren Restaurantbereich mit Bar. Die Längswand – eine komplette maximal entspiegelte Glasfassade mit anschließendem Terrassenbereich – bietet spannungsvolle Raumeindrücke und Ausblicke auf den Pavillon mit seinem öffentlich Platz und der Bühne: Auch hier greifen Innen- und Außenraum ineinander.

Der separate Konferenzraum spiegelt auf seine Weise das Thema Balance wieder: Der polygonale und auskragende Konferenztisch verfügt über integrierte Medien und wird durch eine multifunktionale entspiegelte Glasscheibe ergänzt, die in der Wand integriert ist und als Projektionsfläche dient.

© Architektur Schmidhuber + Partner / Ausstellung Milla & Partner Foto Andreas Keller

Raumdramaturgie.
Ein Globe für die Expo.

Abschließender Höhepunkt der Tour ist die Energiezentrale, ein vertikaler Theaterraum von 12 Metern Höhe mit drei kreisförmigen Rängen, nicht nur in formaler Sicht Referenz an das elisabethanische Globe, sondern vielmehr Fortführung und Neuinterpretation für die Expo 2010. Die Raumstruktur selbst ist hier Teil der Dramaturgie: 600 Besucher, die pro Show geduldig vor dem Theater warten, können, wenn der Einlass beginnt, in kürzester Zeit alle gleichzeitig den Raum betreten (und später wieder verlassen). Somit erlebt das Publikum gemeinsam den ersten großen Eindruck des imposanten Theaterraumes. Oder anders ausgedrückt: Das erste gemeinsame Erlebnis schafft Gemeinschaft, die wichtig ist für die sich anschließende Show. Hier zeigt sich eine weitere Gemeinsamkeit mit dem Globe, dessen Funktion neben der Theaterdarbietung die gesellschaftliche Teilnahme und Wahrnehmung war. (Die teuersten Plätze waren neben der Bühne, nicht weil man dort gut gesehen hätte, sondern weil man dort gut gesehen wurde.) Die klassische Aufteilung des Frontalttheaters in Akteur und Zuschauer, verschiebt sich durch die zentrale Position der Bühne in den Mittelpunkt der Zuschauer. Der Zuschauer nimmt sich selber als Beobachter war und wird Akteur. Der Raum fokussiert die Wahrnehmung des Einzelnen auf die Gemeinschaft und wird zum Sinnbild für den städtischen Raum, für Teilhabe und Demokratie.

Die Ausstellung des Pavillons ist auf 40.000 Besucher pro Tag ausgelegt. Alle 10 Minuten können also 600 Besucher den Pavillon betreten. Das Theater am Ende des Ausstellungsweges definiert den Besucherfluss durch den gesamten Pavillon. Um 600 Zuschauer gleichzeitig Einlass zu ermöglichen und ebenso gleichzeitig 600 Zuschauer wieder nach draußen zu führen, wurden drei parallel übereinander laufende Treppenanlagen konstruiert, die Besucher in einer Spiralbewegung führen. Denn wichtig für die Raumdramaturgie ist das richtige Timing: Würden die Menschen im Theater zu lange warten müssen, bis es sich füllt, wäre die Spannung raus.

Die Treppenanlagen umschließen den Theaterinnenraum. Das Durchschreiten der Treppenanlagen bzw. das Umschreiten des Torsos erlaubt ungewohnte Einblicke in Stahlkonstruktionen, Textilmembran und gekrümmte Innenwände. Seine offene Struktur drückt sich auch in der Fassade ab. Es handelt sich um einen vertikalen öffentlichen Raum, eine Promenade, welche weite Ausblicke in die Umgebung des Pavillons ermöglicht. Der Außenraum kontrastiert den introvierten auf ein Zentrum fokussierten Innenraum des Theaters. Der Rhythmus der Personen die über die Treppen das Theater betreten und wieder verlassen wird zum Sinnbild der Geschwindigkeiten der Stadt, welches sich von Außen auf der Fassade ablesen lässt.

Eckdaten des Deutschen Pavillons

  • Titel de Deutschen Pavillons: balancity
  • Größe des Pavillongrundstücks: ca. 6.000 m²
  • Grundfläche des Pavillons: ca. 5.750 m²
  • Gebäudehöhe: 20 m
  • Personal: ca. 130 Mitarbeiter
  • Besucherkapazität: ca. 50.000 täglich
  • Erwartete Besucher insgesamt: ca. 9,3 Millionen
  • Anteil an der Gesamtzahl der Expo-Besucher: 13,75%
  • Verweildauer im Pavillon: 15 bis 45 Minuten
  • Dauer der Pavillon-Show: 5 Minuten
  • Anzahl der Shows 72 täglich 13.500 in der gesamten Expo-Laufzeit
  • Homepage: www.expo2010-deutschland.de / www.expo2010-germany.com

© Architektur Schmidhuber + Partner / Ausstellung Milla & Partner Foto Andreas Keller

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© Architektur Schmidhuber + Partner / Ausstellung Milla & Partner Foto Andreas Keller

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Bauherr:
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Durchführungsgesellschaft:
Koelnmesse International GmbH

Konzept, Planung und Umsetzung des Deutschen Pavillon:
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Pavillon Shanghai GbR
Architektur und Generalplanung: Schmidhuber + Kaindl GmbH, München
Ausstellungs- und Mediengestaltung: Milla und Partner GmbH, Stuttgart
Ausführung und Projektmanagement: Nüssli (Deutschland) GmbH, Roth
www.arge-deutscherpavillon-expo2010.de

Foto Copyright
© Architektur Schmidhuber + Kaindl / Ausstellung Milla + Partner
Foto: Andreas Keller

Architektur Gestaltung:
Schmidhuber + Partner GbR
Nederlinger Straße 21
D-80638 München
Tel: +49 89 15 79 97-0 Fax: +49 89 15 79 97-99
email: sn@schmidhuber.de web: www.schmidhuber.de

Leitender Architekt: Lennart Wiechell

Architektur Generalplanung:
Schmidhuber + Kaindl GmbH
Nederlinger Straße 21
D-80638 München
Tel: +49 89 15 79 97-0 Fax: +49 89 15 79 97-99
email: sn@schmidhuber.de web: www.schmidhuber.de
Geschäftsführung: Siegfried Kaindl, Gerda Pilz

Lokaler Partnerarchitekt:
he playze, Shanghai

Projektmanagement Shanghai:
BS Engineering Consulting Shanghai Co., Ltd.

Design / Construction Service:
Shanghai Xiandai Architectural Design (Group) Co., Ltd.

Konzeption Statik und Haustechnik:
Happold Ingenieurbüro GmbH, Berlin

Supervision Statik:
SSF Ingenieure GmbH, München

Supervision Brandschutz:
K33 Architekten – Steinlehner & Riedner, München

Supervision Haustechnik:
iPG GmbH Herzner u. Schröder, Gunzenhausen

Lichtplanung:
E³ Ingenieurgesellschaft mbH, Altenbeken

Standort:
Shanghai – Expo Gelände

Baubeginn: 2008
Eröffnung: 1.Mai 2010
Dauer Expo: 1.Mai – 31.Oktober 2010

Grundstücksfläche:
6000 m²

Ausstellungsfläche:
3600m²

Baukosten Architektur und Ausstellung:
€ 30 Millionen

Virtueller Expo Online Besuch: www.expo.cn
Direktlink Deutscher Pavillon: http://en.expo.cn/indexn.html?id=13100003

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